Das 1 Prozent gibt sich selbstgerecht

Das so heimlich wirksame 1 Prozent der Reichen und Einflussreichen, feierte gestern – sich selbst und den neuen Ehrenbürger der Stadt. Werner Gehring, Industrieller, Stifter und Sponsor, erhielt gestern die Auszeichnung im Rahmen einer Feier-Sonderstunde im Rat der Stadt. Zu den Gästen zählten Großindustrielle wie Mohn, Miele, Zinkann. Gütersloh ist die Ursprungsstelle für ihren weltweiten Erfolg. Zur Garnierung gaben sich noch Politiker (Landrat Adenauer, MdB und Fraktionschef der CDU Ralph Brinkhaus etc.) und die Stadtverwaltung ein Stelldichein. Von einer Einwohnerschaft, die der Verleihung beiwohnte, also die Bürger, deren Würde er erhielt, war nichts zu sehen.

Vor kurzem hatte ich die Art und Weise der Verleihung kritisiert. Ich fand, es muss nicht immer Geld sein, das ausgezeichnet wird. In der Logik wären solche Titel käuflich. Es gibt genügend ehrenamtliche Menschen, die eine solche Auszeichnung eher verdient hätten – zudem dann bitte von allen Bürgern auserkoren, nicht in geheimer Wahl allein aus dem Rat heraus.

Natürlich war meine Anmerkung kein Hinderungsgrund. Die Verleihung fand gestern statt. Ihren Weg fand sie heute in die Lokalmedien, durch die die Einwohner teilhaben durften. Ich möchte das zum Anlass nehmen, doch noch drei Sätze dazu zu kommentieren. Zumal ich in einem der Kommentare angesprochen wurde.

 

Satire oder einfach nur selbstgerecht?

Die Protagonisten der Feierstunde selbst schrieben mir auf den Zettel, dass ich ganz richtig lag mit meiner Kritik – selbstgefälliger, oldboy-kumpelliger und elitärer hätte dies kein Satiriker der Welt auf den Punkt bringen können – als etwa der Laudator Dr. Mark Wössner, ehemaliger Chef von Bertelsmann und „ziemlich bester Freund“ von Gehring anhob: Seine Rede handelt (wie in der Neuen Westfälischen geschrieben) von einer „kargen Kleinstadt Gütersloh“, in der man damals angekommen war, die Unternehmen spannend, die Bürger wenig unterhaltsam – außer der Jubilar natürlich, der ein Gentleman sei.“ Sich überheblich über die Kleinstadt belustigen, aber die oberste Trophäe dann doch für sich einstecken. Und davon parlieren, das sei schon vor 40 Jahren ein Traum gewesen.

Zudem hatte ich die Angst formuliert, dass die Ehrenbürgerwürde sehr bald auch an die nächste Generation der Industriellen weiter gereicht werden wird – ungeachtet, ob dies die Stadt und ein Rat auch so entscheiden würden. Wössner sagte (siehe NW), die Ehrenbürgerwürde sei eine der schönsten und größten Würden. Um dann fortzusetzen:

„Christoph (Mohn jun. und Aufsichtsratsvorsitzender von Bertelsmann SE), das hast du noch vor dir. Und du, Reinhard (Dr. Reinhard Zinkann, Spross von Zinkann und Chef von Miele) auch.“

Na bitte, da spricht doch Wössner die ungeschriebenen Gesetze in der Stadt offen aus: Geld gegen Titel und Zugang. Städtische Ehrung als Erbhöfe. Demokratie hin oder her. Selbstgefällig, keinen Augenblick zögernd, ob sich so was nun gehört oder nicht. Offenbar gewöhnt daran, dass man ihm und seinesgleichen widerspruchslos folgt.

Eine Stadt von 100.000 Einwohnern zeigt in diesen Feierstunden wunderbar exemplarisch die unkontrollierbaren Verquickungen von Geld mit Verwaltung und politischen Entscheidern im vorpolitischen Raum, die gefährlich nahe an der Vermischung von unternehmerischen und Partikularinteressen Weniger entlang schrammen.  Bereits 2010 veröffentlichte das Ehepaar Scheuch ein Buch zu Verflechtungen ähnlicher Art in Köln. Der Volksmund kennt den treffenden Begriff „Kölscher Klüngel“.

 

Staat und staatliches Wirken 

Im Kommentar von Stephan Rechlin, Westfalen Blatt Lokalredaktion, verquickt er meine Kritik sogar mit „verstopften Toiletten“ und den „vollgestopften Tagesgeldkonten“, die moralisch verwerflicher seinen, weil wohl geiziger, als diese edlen Spender der Industriellen für das Wohl der Stadt. Denn ohne ihr Geld gäbe es auch keine Finanzierung der Suppenküche. – Ich kann nur sagen, ohne die Steuerbegünstigung der gemeinnützigen Stiftungen, die diese Wohltätigen betreiben, hätte der Staat mehr Geld, das er demokratisch legitimiert dann auch in staatliches Handeln stecken könnte. Etwa in die Armutsbekämpfung, so dass erst gar keine Suppenküchen entstehen. Die beherrschenden neoliberalen Postulate haben es vielmehr geschafft, den Staat mehr und mehr aus seinen Aufgaben heraus zu drängen. Und nur dann nach ihm zu rufen, wenn die Schäden und Verluste der Allgemeinheit aufgebürdet werden sollen. Entlassene etwa sind im Fall von Kündigungen den großen Firmen egal. Wir stehen in der Stadt gerade vor einer Entlassungswelle bei Miele. Gleichzeitig darf gefragt werden, wie hoch denn die Löhne sind, die gezahlt werden ebenso wie die Arbeitsverträge gestaltet sind, die nicht selten Armut erst ermöglichen – und Suppenküchen auch in einer reichen Stadt entstehen lassen.

Ein Aperçu ist es gleichzeitig, wenn die großen Geldgeber im Rathaus bei einem Bürgermeister zu Gast sind, der Geld, das er nicht hat, mit vollen Händen rauswirft (Feuerwache und 3. Gesamtschule) und das offenbar niemandem rechtzeitig aufgefallen ist. Aber egal. Er kann ja nun auf kurzem Dienstweg um welches bitten.

Geld stinkt nicht, sagt man. Aber ich nehme eine Wolke Schwefel wahr, wenn ich mir das alles so ansehe.

 

 

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  1. Dem Artikel kann man eigentlich nur zustimmen. Vielfach ist erwähnt und geschrieben worden, das ‚Ehrenamtliche‘ unser Gemeinwesen unterstützen und erst lebenswert für viele Mitmenschen machen. Wo werden die Verantwortlichen der Suppenküche, der Tafel, des Weltladens, der Sportvereine, im Kulturleben … entsprechend gewürdigt? Eine „Ehrenbürgerschaft“ ist diesen Menschen bisher geflissentlich versagt worden. Und „Stadtplaketten“ als kleine Aberkennung verdienter BürgerInnen werden meist auch nur parteipolitisch ‚ausgekungelt‘. Wo bleibt dann Transparenz, wo bleiben BürgerInnen, die über eine „Ehrenbürgerschaft“ für Personen vorschlagen und mitentscheiden dürfen? Eine Reform dieser Art „Ehrenbürgerschaft“ anzutragen, ist meiner Meinung nach dringend erforderlich.

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