Intelligenter als das Original

In der Industrie geht es um Verschleißsraten und Lebensdauer-Bremsen von „Werkstücken“ wie Schrauben, Kupplungen, Bolzen, Scharniere. Die werden ersetzt. Beim Menschen gerät der Vorgang immer ähnlicher. Wir reden hier von Verschleiß der Gelenke, der Knochen, der Gewebe. Mensch und Maschine werden sich immer ähnlicher: Teile von ihnen sind völlig austauschbar, ersetzbar. Stück für Stück wird der Mensch zum Cyborg. Dabei brauchen beide gleiches: haltbare, stabile und trotzdem leichte Materialien, die möglichst an den Urzustand heranreichen.

Das Foto zeigt ein Ehepaar auf der Bank sowie Schaufensterpuppen dahinter.
Mensch und Mensch im Nachbau

Dass es überhaupt künstliche Ersatzteile gibt, ist keine Neuigkeit mehr. Jeder kennt jemanden, der eine künstliche Hüfte oder ein neues Knie in sich trägt, oder auch einen Herzschrittmacher. Jeder kennt eine generalüberholte Maschine.

Neu und bemerkenswert aber ist mittlerweile die Herstellung dieser Ersatzteile. Früher wurden Ersatzteile von Hand und Maschine erstellt. Heute wird jedes Teil virtuell anhand digitaler 3-D-Modelle erstellt. Die Notwendigkeit, die Idee, der Entwurf und die Realisation entstehen in Hochleistungsrechnern. Jedes erstellte „Ding“ besitzt die physikalische Eigenschaft eines realen Ursprungsteilchens, sei es eine Schraube, sei es ein Knochenteil. Jedes so erzeugte Ersatzteil besitzt die Fähigkeit, sich optimiert zu verhalten. In Modellen wird simuliert, wie das gehen kann, bevor ein einziges Teil hergestellt wird.

An solch ein Werkstück in seiner Passgenauigkeit und hundertprozentigen materiellen Vollendung was die Beschaffenheit angeht, gewöhnen wir uns schon, wenn es um Maschinenbauteile geht. Egal in welcher Größe, sie können mittlerweile aus dem 3-D-Drucker stammen. Ersatzteile werden nicht mehr geliefert, sondern es werden Dateien verschickt, die den Nachdruck in nahezu jedem Erdteil ermöglichen. Wir reden hier von Echtzeitversand.

Das Foto zeigt ein Werkstück aus dem 3-D-Drucker.
Vollendung aus dem 3-D-Drucker

Hinschauen lassen uns aber solche Bilder:

Das Foto zeigt einen nachgebildeten Knochen.
Nachbau leicht gemacht

Neu ist dieser Einsatz auch in der Schaffung menschlicher Ersatzteile:

Die Forschung beschäftigt sich mit dem Design und der Herstellung gradierter zellularer Endoprothesen und Leichtbaustrukturen. Wie hier am Forschungsstand von Fraunhofer und BIONA auf der Hannover Messe. Ziel ist die Entwicklung von computergestützten Methoden zur Konstruktion, Simulation und Fertigung gradierter zellularer Strukturen auf Basis von Knochenumbauprozessen und der Einsatz für belastbare Endoprothesen der Medizintechnik. Gleiches Verfahren wird übrigens auch angewendet, um Leichtbaustrukturen in der Automobil-, Flugzeug und Anlagentechnik zu ermöglichen. Im Kern geht es darum, „Steifigkeit“ und damit Stabilität, dauerhaft haltbar zu sein und zumindest beim Menschen dem Origianlbauteil und Tragekomfort zu entsprechen.

In der Forschung ist es bereits gelungen, die örtliche Verteilung verschieden dichter Materialen in einer mechanisch belasteten Struktur mit der hohen Steifigkeit zu optimieren. Es basiert auf den Prinzipien von Knochenumbauprozessen und ermöglicht den Erhalt der Masse. Die Faserstruktur des Knochenschwamms im menschlichen Oberschenkelknochen sind bereits in guter Übereinstimmung mit Röntgenaufnahmen nachgebildet worden. – So findet es sich auf dem Faltblatt von BIONA.

Warum ist das so interessant – und warum sollten wir uns damit beschäftigen? Eben aus dem einfachen Grund, dass beispielsweise der Bruch des Oberschenkels eines der häufigsten Ereignisse im betagten oder hochbetagten Alter darstellt und dies zu gravierender Herausforderung geworden ist, um im Alter möglichst lange fit zu bleiben. Auch im Kieferbereich, also Oberkiefer und Unterkiefer und dem Erhalt bei Knochenschwund durch Zahnverlust wird bereits geforscht. Ebenfalls ein Bereich, der besonders die älteren Jahrgänge berühren wird.

Der Mensch verschmilzt zunehmend mit der virtuellen Welt. Digitalisierung ist da nur noch eine Platitüde, die lediglich ein Dach für die darunter liegenden Möglichkeiten benennt. Im Detail ist alles schon weiter. Die virtuelle Welt besteht nicht mehr allein aus der Wertschöpfung von physischen Produkten, sondern aus einem Bausatz aus virtuellen Informationen. Ein Knochen etwa ist „jeder Knochen“. Und was, wenn die Materialien miteinander vernetzt sind und direkt Signale über ihren „Zustand“ an den Hersteller senden, damit vorzeitig Verschleiß erkennbar wird und eine virtuelle ? Handlung zwecks Ersatz oder Korrektur erkennbar wird? Wir stehen vor einem sehr großen Schritt: die Ersatzteile enthalten einen größeren Anteil von Wissen als das Original. Wie wir künftig damit umgehen wollen, bleibt bisher unbeantwortet.

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