UPDATE: Die Oberhessische Zeitung berichtet ebenfalls über die Veranstaltung. Hier ist der Beitrag: Mit digitalen Mitteln Gemeinwohl stärken.
In der letzten Woche war ich auf Lesereise im hessischen Alsfeld. Im Gepäck mein Buch „Das neue digitale Landleben“. Alsfeld, ein wunderbares kleines Städtchen, rund 16 Tausend Einwohner mit historischer, mittelalterlich geprägter Altstadt. Gelegen mitten im ländlichen Raum – Natur satt, Hügel, Wiesen und Wälder, Fachwerk wohin das Auge schaut, Misthaufen, Bauernhöfe, enge Kurven, winzige Ortskerne – aber eben auch mit allen Nachteilen, die das ländliche Leben so mit sich bringt: eine alternde Bevölkerung, Abwanderung in allen jüngeren Alterskohorten ist bis 2030 zu erwarten. Allein der Anteil der Älteren ab 60 und der Anteil der Hochbetagten ab 80 und älter steigt im Kreis an. Die Rahmenbedingungen rufen geradezu nach digitalen Strategien, um den Landstrich anschlussfähig zu erhalten oder noch besser – die Lust zu wecken, wieder in den ländlichen Raum zu ziehen, weil es sich eben auch lohnt mit viel Natur umgeben zu sein, nicht pendeln zu müssen und den besonderen Charme dieses Landkreises und vor allem die historische Stadt mit Leben zu füllen.
Um darüber zu diskutieren und mich mit den Interessierten auszutauschen, war ich zu Gast in der VHS im Vogelsbergkreis auf Einladung der Friedrich Ebert Stiftung Hessen. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie sich ein ländlicher Kreis den neuen Herausforderungen von Digitalisierung und auch Nachhaltigkeit stellen kann. Welche digitalen Maßnahmen eignen sich etwa für den Vogelsbergkreis? Was ist nötig, um dauerhaft eine lebenswerte und attraktive Region zu sein, und wo gibt es Grenzen? Mit auf dem Panel saß Martin Hanke (Geschäftsstellenleiter des Lauterbacher Anzeigers), moderiert wurde von Simon Schüler, FES Hessen. Zum Einstieg berichtete ich über die Möglichkeit des BMI, ein regionales Open Government Labor vielleicht auch nach Alsfeld zu holen – die Frist lief da noch genau 24 Stunden…
Zumindest die Infrastruktur in der Stadt wird zur Zeit sehr in Angriff genommen – wie die Bagger und tiefen Löcher auf dem Marktplatz eindrucksvoll belegten. Glasfaser bis in jedes Haus – ein schöner Aufhänger für unseren Austausch.
Vertieft und kontrovers diskutiert wurden die Themen Alterung, Veränderung der Arbeit, Veränderung der Wirtschaftskraft eben durch neue Geschäftsmodelle, vor allem die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung für eine alternde Bevölkerung und nicht ganz unspannend für eine Region mit vielen Fachwerkhäusern: die Ausstattung der Feuerwehren mit digitalen Hilfsmitteln sowie die Möglichkeit, hier ein in Bürgerhand aufgebautes LoRaWAN-Netz zu nutzen. Leider gibt es noch keine Schnittstellen zum Geoinformationsportal und auch die Orte der Hydranten stehen nicht als Open Data bereit. Martin Hanke berichtete über die Lauterbach App und weitere Innovationen wie etwa die Kopplung von Ausbildung und Studium gebunden an Firmen in der Region Vogelbergkreis, um die jungen Menschen trotz Studiums in der Region zu halten.
Ein spannender Abend. Es ist gut zu merken, wie stark der Wunsch nach Aufbruch ist, wie stark die regionalen Impulse sind, und wie kreativ und eigensinnig sich der ländliche Raum so langsam auf die Socken macht. Über die Geschwindigkeit von Veränderung kann man genüsslich streiten – aber es bewegt sich etwas. Vor allem in der Zivilgesellschaft als treibende Kraft für ihre Regionen.