Führerscheinumtausch

Die Nachkriegsgeneration in Deutschland ist mit dem Autovirus groß geworden. Autos standen im Mittelpunkt des Seins. Ohne Blechkarosse ging doch eigentlich nichts. Weder Stadtplanung noch Alltagsleben. 57,45 Millionen Menschen hatten in 2020 einen Führerschein.

Jetzt werden in großem Stil die Führerscheine der Jahrgänge Papier und auch Plastik umgewandelt. Nach EU-Recht in neue Formate, einheitlich und fälschungssicher. Und die Daten wandern in eine europäische Datenbank.

Aber: Der Tausch erfolgt postalisch! Auf Papier. Mit Briefmarke. Mit der Zusendung eines biometrischen Passfoto, mit der KOPIE des Personalausweises/Reisepass und der KOPIE des bisherigen Führerscheins an die Führerscheinstelle des Wohnortes. Das Antragsformular ist zwar digital als Download vorhanden – ausdrucken aber muss es der Antragsteller und es dann per Post schicken. Oder er beantragt dieses Formular, postalisch vom Kreis zugesendet zu bekommen. 2022!

Der digitale Führerschein war Ende 2021 zudem zu einem Flop geschrumpft, die App wurde wieder aus den Stores entfernt: zu hoch das Bedarfsaufkommen, komplizierte Beantragung weil auch der elektronische Personalausweis notwendig gewesen wäre, den aber kaum jemand je freigeschaltet hätte (das aber ist eine andere traurige Baustelle!). Bei einer polizeilichen Kontrolle wäre zudem nur der „physische“ also materielle Führerschein anerkannt worden. …. 2022!

Einen Sonderstatus für den Führerscheinumtausch haben nun ausgerechnet die Jahrgänge vor 1953: ihr „Lappen“ hat Bestand bis 2033. Dann wären sie statistisch 80 und älter – oder in größerer Zahl tot.

Dabei sind es gerade diese Jahrgänge, die als Vorreiter spannend gewesen wären: Sie hatten die längste Erfahrung mit individuellem Verkehr. Sie haben miterlebt, wie unsere Städte aus allen Nähten platzten, weil immer mehr Autos durch die Straßen kurven – und noch schlimmer: überall parken. Sie erleben gerade, wie sie Sekunde für Sekunde fahruntüchtiger werden, gerade sie hätten sehr erfahren fragen können: Wie gelingt der Wandel von individueller Mobilität ins Rentenalter – wie bleibe ich mobil, wenn ich selbst nicht mehr fahren kann, auch ohne die Umwelt zu belasten? Digitale Mobilität wäre längst angebracht: selbstfahrende Autos als Anfang bis man merkt, es braucht keine eigenen PKWs mehr, digitale Rikschas, digital organisierte Mobilitätsketten mit ÖPNV.

Der offensichtlich einzige Vorteil aus der lebenslangen individuellen Mobilität auf Kosten der Umwelt bleibt nun also: die Alten dürfen ihn offensichtlich mit ins Grab nehmen, ihren geliebten Führerschein. Der Rest tauscht. Ein sinnvoller Ersatz für diesen Fetisch gibt es immer noch nicht. Wie wäre es mit der Bahncard 100 zu erschwinglichen Preisen? Das wäre billiger, das wäre nachhaltiger.

Jetzt aber noch 85 Cent für den Antrag auf Umtausch…

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