Gesichtserkennung leicht (falsch) gemacht

So kann´s gehen: Mal alt und männlich – mal jung und weiblich. Im Heinz-Nixdorf-Museum in der Smart City Paderborn habe ich die Gesichtserkennungssoftware Shore (R) vom Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen ausprobiert. Rein technisch gehört die Gesichtserkennung zu den biometrischen Verfahren. Zum Einsatz kommt sie u.a. zur Authentifizierung von Personen.

In Echtzeit können Gesichter gescannt und auf bestimmte Kriterien hin überprüft werden: Alter, Geschlecht, aber auch den Gemütszustand wie glücklich, traurig, überrascht oder ärgerlich – und weitere. In den letzten Monaten bekam diese Technik besondere Aufmerksamkeit, u.a. durch den Test des Bundesministerium des Innern von Gesichtserkennung am Berliner Südkreuz, aber noch weitreichender durch die KI-gestützte Technik der chinesischen Firma megvii mit der Software Face++ . Face++, die weltweit größte Plattform zur Gesichtserkennung, wird von mehr als 300.000 Entwicklern in 150 Ländern eingesetzt, um Gesichter zu identifizieren. Es analysiert 106 Datenpunkte auf dem Gesicht, um Personen zu identifizieren und ist in der Lage, mehrere Gesichter gleichzeitig zu scannen.

Die chinesische Regierung, insbesondere die Polizeibehörden auf lokaler Ebene, sind wichtige Kunden: Vor Ort kommt die Software zum Einsatz, um Menschen und ihr soziales Verhalten zu überwachen und möglicherweise umgehend sanktionieren zu können. Ein Beispiel: Jemand geht bei rot über die Ampel. Die an der Kreuzung installierten Sensoren erfassen das Gesicht des Rotgängers, identifizieren ihn – und kassieren automatisch ein Ordnungsgeld. Oder noch krasser: sein Vergehen wird auf einer Anzeigetafel direkt an der Kreuzung öffentlich angeprangert – mit Namen und Gesicht. Dieses Beispiel machte kürzlich die Runde.

China arbeitet an einem Sky-Net-System, ein Netzwerk von über 170 Millionen Sicherheitskameras, die mit der neuen Software ausgestattet sind. Das Unternehmen wirbt damit, dass seine Software über die Strafverfolgung hinaus viele Einsatzmöglichkeiten hat, einschließlich in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Einzelhandel und Identitätsprüfung.

So weit ist es bei Fraunhofer IIS (noch) nicht.

Hier zeigt sich erstmal, dass mich offensichtlich meine Brille vor der Erkennung schützt – demnach bin ich hier männlich und im geschätzten Alter von 55 (+/- 13 Jahren).

 

Mann und alt

Beim zweiten Versuch (siehe Bild unten) schmeichelte mir die Software: Ohne Brille schätzte sie mich als weiblich ein (zutreffend) in einem Alter von 24 (+/-9 Jahre). Sehr charmant!

Shore (R) soll sehr konkret zum Einsatz kommen und „gute Dienste“ im Alltag leisten: Zum einen könnte die Software in Autos installiert werden oder auch in Lastkraftwagen und so den Fahrer im Blick behalten und vor einem möglichen Sekundenschlaf schützen. Fallen dem Fahrer die Augen zu, schlägt das System Alarm. Gleichermaßen kann Stress  bei einem Fahrer frühzeitig erkannt werden, worauf hin eine Warnung erfolgen würde – im besten Falle könnte das gesteuerte Fahrzeug dann sogar gestoppt werden.

Ein weiterer Einsatz ist der in der Medizintechnik. Die permanente Überwachung von Schwerstkranken würde erleichtert, da ihre Gesichtszüge stetig überwacht werden könnten, um etwa Medikamente und vor allem Schmerzmittel passgenau verabreichen zu können. Gleichermaßen käme eine solche Software beim ALL zum Tragen, also beim „assistierten Daheimleben von Älteren“ mit möglicherweise gesundheitlichen oder kognitiven Einschränkungen. Hier können Notsituationen oder Gesundheitsbeeinträchtigungen frühzeitig erkannt werden und so Hilfe schneller und passgenauer vor Ort sein.

Zum Dritten ist damit eine gezielte Marktforschung möglich, etwa beim Auslesen von emotionalen Reaktionen in einem realen Geschäft, hier werden Reize und Reaktionen auf bestimmte Waren oder Werbung registriert und ausgewertet, natürlich mit dem Ziel, den Umsatz zu steigern.

 

Es ist nicht die Technik, die entscheidet, in welchem Rahmen welche künstliche Intelligenz oder Kompetenz konkret zum Eisatz kommt. Wir sind es, die diese Entscheidungen treffen. Dazu braucht es die Fähigkeit der Technikfolgenabschätzung, die eine Renaissance erlebt: Insbesondere in den Kommunen stellen sich künftig genau diese Fragen, in deren digitalem Ökosystem sich künftig solche neuen Technologien finden werden. Hier vor Ort zeigen sie Wirkung. Das bedeutet, das sich die Stadtgesellschaft frühzeitig damit befassen darf, Kompetenzen aufbauen muss, was sich damit in unserer Gesellschaft grundlegend ändert.

Und wie das zum Wohle aller gelingen kann. Eine Fehleinschätzung beim Alter etwa könnte sich in konkreten Fällen als sehr problematisch auswirken.

 

weiblich und jung

 

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