Diese Prozesse bündeln sich unter dem Begriff „Gentrifizierung“: alte Bau- und Baumstruktur weicht neuen überdimensionierten Cubus-Bauten. Gern Hutschachtelformat, gern Penthouse oben drauf, kein Stück Natur verbleibt drumherum. Sechs oder acht Wohnparteien mit großzügigen Quadratmeterzahlen. Natürlich alles hochpreisig und nur für ganz wenige Vermögende bewohnbar. Mittlerweile ziehen die SuVs der Bewohner sogar in extra gebaute Tiefgaragen. Manchmal bleiben die Wohnungen leer, nur Geld lebt in den Steinen. Protzig und pulverisierend für alles Andere.
Bauliche Veränderungen diesen Schlages ziehen auch soziale Verdrängungen nach sich. Menschen müssen weichen. Alte Bewohner oder Menschen mit geringem Einkommen verschwinden an den Stadtrand oder in die Mietskasernen. Oder sie ziehen ganz weg, weil die Stadt zu teuer ist fürs Wohnen und Leben. Soziale Vielfalt schwindet, gewachsene Strukturen gehen zu Bruch. Bäume werden reihenweise für diese Nachverdichtung abgeholzt. Und das mittlerweile auch in vielen Wohnquartieren am Stadtrand. Die galoppierende Gentrifizierung grast in vielen Ortsteilen – auch in kleineren oder mittelgroßen Städten.
Gentrifizierung ist ein Begriff, der ein Gefühl des Unwohlseins auslöst. Er macht auch Angst, weil die Ergebnisse in den Quartieren gut sichtbar sind. Wir brauchen neue Formate der öffentlichen Diskussion darüber – also auch frühzeitige Informationen, wann, was, wo und wie geplant ist – bevor die Bagger vor dem Fenster anrollen.
Zudem fehlt anfangs unsere Vorstellungskraft dafür, welche Größenordnungen neue Bauten mit sich bringen. Wir brauchen nicht nur eine aktivere öffentliche Diskussion über die Kriterien und Regeln dieser Nachverdichtung: es darf nicht nur um Masse gehen. Es muss um Fragen von Mobilität gehen, von Grün und Klimaschutz, von neuen ressourcenschonenden Baumaterialien, um regenerative Energienutzung, um Digitalisierung für smartHomes, damit Altern unabhängig und autonom in den eigenen vier Wänden möglich ist. Es muss darum gehen, wie wir künftig zusammen leben wollen, wenn Segregation von Alt und Jung, Reich und Arme weiter voranschreitet.
Es muss auch digitale, smarte Formate geben, die uns virtuell in zukünftige Realisierungen solcher Veränderungen transportieren: Mittels 3-D-Visualisierungen etwa und mit Hilfe von Virtuellen Brillen können solche Vorhaben der Veränderung in den Quartieren künftig räumlich erlebbar werden. Sie müssen es sogar, damit jeder ein BILD von diesen Verdrängungen hat. So erst kann ein Diskurs darüber entstehen, in was für einer Stadt wir leben wollen – wie soll sie wachsen und was ist uns wichtig dabei? Ohne Überraschungen ob der Dimensionen.
Zudem: Offene Daten helfen, die Prozesse der Verdrängung und des Wachstums überhaupt bildlich zu fassen. Mit der GentriMap vom PrototypeFund etwa wird die die sozial-ökonomischen Strukturen der Verdrängung sichtbar und verständlich gemacht. Das Verweben von Daten und ihre Analyse helfen durch Sichtbarmachung, diese komplizierten Veränderungen zu verstehen. Solche Daten sind etwa die Anzahl der Bewohner, die Sozialhilfe empfangen oder auch die Höhe der Mietkosten im Quartier. So entstehen Karten, die genau diese Dynamik belegen, wo sonst nur ein diffuses Gefühl bleibt.
Politik, Stadtplaner und auch Bürgerschaft können so gegensteuern. Je aktueller die zugrundeliegenden Daten sind, desto realer ist der Veränderungsprozess bis hin zur Echtzeitverfolgung der Veränderung.
Ein wichtiger Umstand für jede Art von Beteiligung, die sich frühzeitig genug zu Wort melden kann: Wollen wir das? Oder entwickeln wir gemeinsam andere Vorstellung von einer wachsenden Stadt? Wie bleibt Veränderung in der Wage, so dass es ein Zusammenleben möglich macht?
Fragen, die gestellt werden wollen. In praktisch jeder Kommune.
Wie krank ist die Äußerung bezüglich der Tiefgaragen. Die Stadt erwartet pro Wohnung 2 Stellplätze, da bleibt als vernünftige Lösung nur die Tiefgarage. Wir haben doch schon genügend verstopfte Straßen durch Autos, auch da wo nur 2-Familienhäuser stehen.
Diese Cubusbauweise ist neunmal derzeit der Trend und sehen doch besser aus als manch vergammelte 2-Familienausflüge aus den 30-Igeln. Ein ganz großer Vorteil der neuen Häuser ist selbstverständlich auch die Umweltverträglichkeit, hier wird mehr Wohnraum auf gleicher Fläche geschaffen und weniger Abgas erzeugt. Wenn wir die Werte für den Klimaschutz erreichen wollen, müssen die alten Häuser noch gewaltig investieren.
Sorry, das ist greenwashing und argumentieren von einem, der das genau so gebaut hat. Absolution wird nicht erteilt!