Männerwelt und Führung nach altem Verständnis

Die taz, das Leitmedium meiner Wahl, verabschiedet einen ihrer „Chefs“. Ich fand die extra für diesen abschiednehmenden Rentner herausgebrachte Sonderausgabe entschieden zu übertrieben. Personenkult, Partriarchat, Plumpheit. Auch die Idee, allesamt, den gesamten taz-Kosmos zu Wort kommen zu lassen, hinterließ die mich irritierende Überlegung, ob die taz wohl das Internet auf Papier hat imitieren wollen.

 

Quelle: Taz- Titel 14./15. Dezember 2019 abfotografiert

Die gebündelte Ruch-Abschieds-Ausgabe hat mich zu meinem Leserbrief bewogen, den die taz auch in ihrer Ausgabe vom 17. Dezember 2019 gedruckt hat.

Abschiedsheft Ruch

Jetzt ist die Taz Ruch los. Das Wortspiel liegt nahe. Entschuldigung für so viel Plumpheit.
Mein Wochenende verbrachte ich dagegen ganz im Ruch der taz. Jedes Umschlagen der Blattseiten mehr zerbröselte mein Weltbild einer Zeitung, die seit jeher zu meinem Frühstück gehört. Bisher glaubte ich an Führung ohne Chefallüren. Ahnte nichts von den höfischen Zuständen und kaschiert paternalistischen Strukturen in den Redaktionsräumen. Das habt ihr nach außen gut versteckt, lieber Königshof. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Leserschaft in diesem Glauben zu belassen, als mit der Ruch-Huldigung gnadenlos eine letzte Bastion zu demaskieren. Wir lesen von Angst vor Ruch, hören vom „König“, der als letzter auf dem Spielfeld die Strippen zieht, von einem Wesen, das enigmatisch regiert, kalkuliert und den taz-Körper durch kluges Rechnen am Puls der Zeit hält. Das Bild von Zepter und Hermelin verlies mich nicht.

Regentschaften wie diese, denen stillschweigend gehuldigt wird, vom kollektiven Überlebenssinn in Unternehmungen beatmet und in der unsichtbaren Hackordnung einer BelegschaftsDNA verankert, kannte ich bisher nur aus Konzernen. Auch die Aufträge „Schreib was über den Chef“ erinnert mich an die Dienstanweisung, Devotes ins Kondolenzbuch zu schreiben, als der Patriarch gestorben war. Ich hatte immer geglaubt, in der taz sei es etwas anarchischer, mehr Schwarm, mehr Augenhöhe hinter den Restpflanzen. Mein letzter Wunsch wäre jetzt, dass König Ruch nur noch Tomaten züchten möge, deren Unterwerfung nach einem Jahr verwelkt ist. Nicht, dass er wie viele seines Gleichen in die Welt strebt und allen erklärt, wie dieselbe eigentlich funktionieren müsste. Jetzt, wo sie Zeit haben und von ihren Erfahrungen berichten können. Ich kann kaum glauben, dass es für diese Ausgabe eine Mehrheit gab. Mir wäre lieb, wenn ein vom König befreiter Laden von neuen Formen der Führung und Zusammenarbeit berichtete. Und nicht einer aus der zweiten Reihe ruchlos nachwächst.

 

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