Open Data Day 2021

Ein fester Termin im Kalender: der Tag der Offenen Daten. Für mich ist er ein Feiertag. Aber auch ein Aufruf zur eigenen Weiterentwicklung. Im barcamp von #OffeneKommunen.NRW gab es dazu reichlich Futter. Wir sprachen über die Zukunft von #CivicTech und das digitale Ehrenamt. Wir loteten im Rahmen unserer VIKO mit BigBlueButton aus, was gut läuft, was nicht hinhaut – und wo es Verbesserungen bedarf.

Ich habe einige Impulse aufgenommen.

In der Session mit Stefan Kaufmann aus dem OK Lab Ulm und dem Verschwörhaus ging es darum: Die „Open“-Szene wird gentrifiziert – und jetzt? Wie können wir Gegenerzählung zu neoliberalen Konzepten finden?

Zunächst kann ich festhalten, dass sein Ansatz vielen Teilnehmern aus der Seele gesprochen hat. Viele teilten das Bauchgefühl, das wir uns seit einiger Zeit eigentlich nur noch frustriert umschauen und fragen, was eigentlich genau falsch läuft. Die Open Data und die Open Government Bewegung merken, dass sie eigentlich irgendwie abgehängt sind.

Zwei Strömungen befeuern das Gefühl: es gab reichlich Hackathons in den letzten Jahren, es gab reichlich Leuchtturmprojekte, es gab reichlich viele Veranstaltungen im Mainstream mit dem Abspulen von Buzz-Words wie eben Open etc. – aber es entsteht einfach keine Infrastruktur. Will sagen, es ändert sich nichts Wesentliches.

Außer – und das ist der zweite Strömung, die wir hier und heute gemeinsam fühlten: die Themen „open“ und „Datennotwendigkeit“ sind bereits gekapert von den unzähligen Beratern, die in den letzten Jahren in den Kommunen unterwegs sind. Die Anzugträger stürmen mal wieder in die Rathäuser. McKinsey und Co. Sie krempeln alle Ansätze auf Hochpreisiges. Sie setzen den Startschuss für Gentrifizierung, die bereits allerorten niederschwellig im Einzelnen aber massiv auf den großen Blick stattfindet und Wirkung zeigt. In jedem Quartier erkennbar. Und dabei waren die neuen Ansätze aus der Community mal angetreten zu zeigen, was ginge, wenn die notwendige Datenstruktur da wäre – so ein Satz aus der Session.

Es kommt sogar so weit, dass Open Data in der Begründung mündet, die Wirtschaft zu stärken, das wäre günstiger. Ich muss gestehen, auch ich hatte kurzzeitig diese Sätze in einem Antrag stehen – in der Hoffnung, die notwendige Mehrheit dafür auch aus der konservativen Seite zu bekommen. Aber was bringt das, wenn die zentralen Ideen damit kaputt gehen, zerschellen an der Beharrlichkeit der Verweigerungshaltung?

Das eigentliche Ziel verschwindet hinter den Begründungen, z.B.: „Wir machen Open Source, weil das ist günstiger.“ Die Akteure der Nachbespielung kommen jetzt zuhauf auf den Plan und wollen eigentlich nur Profit machen. Gemeinwohl und neue Konzepte kippen hinten runter.

Die Session befindet: Wir haben kein Innovationsdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit.

Die Berater erzählen ihre Geschichten um „smarte Städte“ und über den „digitalen Aufbruch“, basteln ein paar Folien, die nunmehr jede Gemeine einmal schon gesehen hat – und es passiert nichts. Aber noch schlimmer, wenn sich etwas davon in den Zuhörerköpfen festgesetzt hat, dann sind es nicht die Werte der Gemeinwohlorientierung, sondern die Aspekte der „Effizienz“, der „Kostenersparnis“ – das dahinter liegende Geheimnis einer aus der Gemeinschaft geborenen Andersartigkeit des Opengedankens, das Staatswesen zu betrachten, bleibt unerwähnt. Ja sogar negiert. Frustrierend auf der ganzen Linie.

Dieser Kommentar macht es deutlich – und um so mehr, wenn man den zitierten Artikel gelesen hat:

Ich war geradezu elektrisiert, als der Begriff der Gentrifizierung der Community-Arbeit fiel. Endlich hatte mein diffuses Gefühl zum Geschehen einen Namen und eine Einordnung. Es ging vielen so.

Wo bleibt der Unterbau – die notwendige Infrastruktur in der Stadtplanung: Vorab eine Idee, wie ein Quartier aussehen soll. Kaufmann umriss das mit: DixiKlos statt Infrastruktur, Wassertürme statt Kanalisation.

Waren wir einfach naiv? Waren wir zu ideologisch in unserem Ansatz? Wir möchten, dass der Staat seine Aufgaben übernimmt! Doch das Gegenteil geschieht: Im gängigen und bisher immer noch unhinterfragten Konzept des Neoliberalismus zieht sich der Staat zurück. Wir kennen den passenden Spruch dazu: „Das wird der Markt regeln“. Stimmt aber nicht. (Wir sehen das gerade wieder krass vor Augen geführt, wenn es um notwendige Beschaffung oder Organisation in Corona-Zeiten geht: Masken, Tests, Impfstoff, Gesundheitswesen an sich.) Diese Haltung führt in der Stadtentwicklung zu Gentrifizierung. Im Sinne von: Geld schlägt alte Strukturen in die Flucht, alles was danach kommt, ist nur noch teuer und edel. Und für wenige. Es fällt also gar nicht auf, wenn der Neoliberalismus auch die Bürgerschaft als „Markt“ einstuft. Will heißen: macht ihr das alles schön ehrenamtlich. Es heißt dann so schön: Finanzierung / Verstetigung von Projekten, die weiter betrieben werden.

Verstetigung, Governance, Smart City – alles Erzählungen, die so also auf tönernden Füßen stehen.

Kaufmann machte den Vorschlag: „Wir brauchen Gegenerzählungen! Die neoliberalen Geschichten führen in die falsche Richtung.“ Es gilt, die Ziele zu hinterfragen, die Richtung abzuklopfen. Partizipation ist in dem Zusammenhang auch ein Buzzword geworden, das in seinem Bestand pulverisiert wird. Und wir machen mit, in den Formaten, die uns geboten werden.

Notwendig sind neue Geschichten. Die muss man finden, aufschreiben und weitertragen.

Wer sind die Leute, die diese Geschichte aufschreiben? steht am Ende als Frage in der Session – Antworten gewünscht.  

Ich suche sie – und schreibe sie hier auf.

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