Politik umarmt digital – CDU

Eigentlich nur eine Notiz an mich selbst:

Wie wahrscheinlich viele Politikinteressierte in Deutschland schaute ich mir den CDU Parteitag in Hamburg im Live-Stream an. Schließlich wird die Wahl zwischen den drei Spitzenkandidaten für den Vorsitz der CDU zur Zeit als „das demokratische Event“gefeiert – kaum ein Kanal, der nicht berichtet oder schreibt.

Einige Punkte, die mich nachdenklich stimmen:

  • Eine Auswahl an Kandidaten zu haben und dann auch noch die Mitglieder (wenn auch nur Delegierte) entscheiden zu lassen als „demokratisch“ und „neu“ zu feiern, ist bemerkenswert.
  • Es gibt bei der Kandidatenwahl eine Stichwahl – die auch zum Tragen kam. In NRW aber will die CDU die Stichwahl bei der Wahl der Bürgermeister in NRW abschaffen. Das ist widersprüchlich.
  • Bei einer Personenwahl wird stets der Eindruck vermittelt, diese Person werde künftig führen, den richtigen Weg vorgeben, die Richtung bestimmen, verbunden mit der Hoffnung, die Verantwortung zu übernehmen für alle, die folgen. Im Zeitalter der Schwarmintelligenz, im Zeitalter der vernetzten Communities und der digital Leadership halte ich diesen Ansatz für antiquiert und auf Dauer nicht belastbar. Vorbei sind die Zeiten, in denen einer sagte, was zu tun ist und alle folgten. Der Teamgedanke mit gar keiner oder zumindest flacher Hierarchie fällt damit zunehmend unter den Tisch – aber nur ein Team bringt weiter. Daher ist es schade, dass es bei einer monochromen Einerspitze bleibt.
  • Niemand in den Reihen thematisiert, dass das zu wählende Personal bereits sehr lange in der Politik tätig ist und bereits mehrere Jahre teilweise Jahrzehnte an Mandatserfahrung aufweist. Da wird dem Benjamin unter den Kandidaten sogar noch bescheinigt „er habe ja noch Zeit“ – und unterstellt dabei, er werde noch lange im Politikbetrieb verbleiben. Eine Voraussetzung, die Wahlen in Gremien ad absurdum zu führen scheint. Beim Durchklicken der Biographien der Kandidaten und auch der parteiinternen „Lagerwerber“ wird schnell klar: Da sind Menschen am Start, die seit Jahrzehnten im Bundestag sitzen, da sind Menschen, die sich als Berufspolitiker etabliert haben und dies auch weiterhin als Karriereleiter nutzen wollen. Sie haben sich in den Parteiapparaten unkündbar gemacht, alles genutzt, was Parteien zum Vorankommen bieten. So aber ist Demokratie nicht gedacht. Demokratie lebt vom Wandel und Wechsel, nicht vom stetigen Dabeisein in immer neuen und anderen Rollen – aber gleichsam im System und unter Ausnutzung desselben. Da sind Parteikarrieren dabei, die schon ihr Studium durch Stipendien der parteinahen Organisationen absolviert haben. Politikern, die derart von Parteistrukturen absorbiert sind, fehlt der Bezug zur normalen Lebenswelt der Menschen außerhalb parteilicher Sphären. Und den Menschen fehlt der Bezug zu den politischen Repräsentanten. So kommt es zum Unverstehen auf beiden Seiten. Wobei diese Entwicklung den Rechtspopulisten und Nationalisten in die Hände spielt, die das ebenso bemängeln, daraus aber simpelste Antworten stricken, die in unserer komplexen Welt nicht weiterhelfen, sondern Intoleranz, Hass und Abgrenzung schüren. Die Rechten als Nutznießer dieser Umstände sind eine Gefahr für die Demokratie. Wer also die Demokratie stärken will, muss auch die Parteiposten kritisch in den Blick nehmen und neue Formate der Beteiligung bereit stellen, die mehr Partizipation ermöglicht und einen häufigeren Wechsel des Personals und mehr Diversität garantieren.
  • Um bei der Komplexität zu bleiben: die Herausforderungen unserer Zeit wie Digitalisierung, Klimawandel, Spaltung der Gesellschaft, Europakrise… alle diese Themen brauchen Antworten, die sich nicht allein dadurch meistern lassen, dass man den konservativen Kern der noch mitgliederstärksten Partei verstärkt – das „C“ wiederbelebt oder die Dreifaltigkeit der Partei erneuert: Christlich, liberal, konservativ… Das sind meiner Auffassung nach Vorstellungen, man könne „das Gestern“ nochmal auffrischen oder zumindest am Heute so lange festhalten, bis die Veränderungen vorüber gehen und sich die Welt da draußen beruhigt hat. Der politische Besteckkasten verneint die Interdependenz. Dazu braucht es mehr als „konservativ“ und die Kompetenzvermutung die Partei zu sein, die in der Lage ist, Wirtschaftskraft zu erhalten.

Zwei Dinge haben mich heute beim Zuschauen sehr zum Lachen gebracht, man darf der CDU allerdings damit auch Humor unterstellen:

 

 

Das Bild zeigt abfotografiert vom Screen die „Tischwahlkabine“ und das Gebot des Präsidiums, in den Social Media nichts vom Wahlgang zu posten. Zum einen wird #Tischwahlkabine wohl ein Anwärter auf das Wort des Jahres 2018. Zum anderen ist es interessant, dass man in der CDU einer digitalen Wahl keine Chance gibt.

 

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