Was zählt in Zukunft?

UPDATE:

Vorweg gesagt, nein, ich habe keinen neuen Job bei IKEA oder in einem Möbelhaus. Aber lustig ist es schon. Auch der aktuelle Near-Future-Streifen (oder ist es doch einfach nur eine post-trumpische Mediensatire?) von Netflix „Don´ t look up“ u.a. mit Leonardo DiCaprio setzt am Ende auf eben dies: der Weltuntergang wird (wieder) am Esstisch erlebt.

Ein Wissenschaftler und seine Assistentin warnen in dem Streifen durch gesicherte Fakten und Erkenntnisse (Alles ist Mathematik!!) vor einem gigantischen Kometen, der auf Kurs der Erde liegt und in wenigen Monaten einschlagen wird. Ein Planetenkiller. Die USA, allen voran eine irre Präsidentin, ignorieren den Fakt und deuten ihn um. Die Familie des Wissenschaftlers mit Mitstreitern seiner vergeblichen Warnung vor einem riesigen Kometen, sie sitzen: gemeinsam zum letzten Mahl an einem Esstisch. Sie halten sich an den Händen – und beten. Liebe als das verbindende Moment wird bemüht. Das Ende naht, die Stoßwelle rollt selbst für den Zuschauer spürbar über den Erdball, in wenigen Sekunden werden wir gemeinsam mit den Akteuren sterben. Und was bleibt für alle Ewigkeit: der Esstisch, Rotwein, ein Dinner. Und wieder Liebe.

Geradezu biblisch, die Filmemacher. Sinnsuche bei dystopischen Transformationsjahren? Verdrängen Esstische die Antwort 42?

Quelle: Netflix

Lost in Space

Dieser Tage ist es eine „der“ Fragen: Wie werden wir nach der Pandemie leben – gibt es ein „nachher mit Rückkehr zum Alten“ überhaupt oder sind wir schon im „Morgen“ angekommen? Einem nächsten Zeitalter, in dem Krisen, wahrscheinlich weitere Pandemien, Katastrophen und kolossale Umwälzungen des Klimawandels dem Menschen zeigen, nein wir leben nicht mehr im Anthropozän. Was käme dann?

Aus diesen Gründen der Neugier schaue ich am liebsten Science-Fiction-Filme – scanne das Material nach Impulsen für Ideen und Formen einer Transformation, nach Spekulationen wissenschaftlich, technischer Veränderung in der Zukunft. Neben technischen Innovationssträumen, destilliere ich Spuren nach verändertem Zwischenmenschlichen, Sozialen, der Hierarchietransformation, neue Gesellschaftsentwürfe des Zusammenlebens.

Dieser Tage landete daher „Lost in Space“ Staffel drei auf meinem Rechner. Man könnte die Frage stellen, ob das überhaupt echte Sci-Fi ist – oder nur eine universell verständliche Heldenreise nach klassischem Vorbild. Aber das Filmsujet ist so angelegt, in die Zukunft zu schauen.

Quelle: Netflix

Die Familie Robinson abenteuert sich auf dem Weg in eine neue Welt. Wir als Zuschauerschaft begleiten sie durch alle Wirrnisse dorthin. Ihr Ziel wird in der dritten Staffel erreicht: die Ankunft und das umgehend notwendige Verteidigen der neuen Lebenswelt im Sonnensystem „Alpha Centauri“. Startschuss für die gesamte Serie ist die immer weniger bewohnbare Erde. Wer sich qualifiziert, kann sie für ein neues Dasein auf Alpha Centauri verlassen. Gleich zu Beginn bekommt die Familie Zuwachs. Ein Roboter wird stetig mehr ein Robinson.

Nein, ich erzähle hier nichts vom Inhalt. Nur vom Ende. Bitte also wegklicken, wer noch nicht bis zum Ende gelangt ist.


Aufschlussreich für mich war die offenbar doch so simpel religiöse Botschaft, die am Ende bleibt: Was also bleibt und offenbar (auch) in der Vorstellung der Zukunft essentiell sein wird, sind laut Drehbuch Liebe, Vertrauen, Freundschaft, Hoffnung, ein Rechtssystem, das gerechte Strafe kennt. Ein eigenes Zuhause (Haus?) in der 3-D-Drucktechnik gefertigt mit Schiebetür zum Garten, der aber pflanzlich etwas anders aber doch grün bewohnt wird. Wenig utopisch, spekulativ: Auch hier wirkt sie, die Zäsur, die Bipolarität zwischen Landschaft, unberührt, unerforscht und weit – und einer erkannbar an heute angelehnten Siedlungsstruktur (Stadt) der Menschen, nebst – und das wäre neu – ins All ausgelagerte Workspaces.

Und am Ende ist offenbar doch nur ein einziges Utensil wirklich wichtig: Ein Esstisch, an dem alle der Familie zum Abendessen Platz nehmen – nach einer waghalsigen Odyssee auf Leben und Tod. Das Finale ist also ganz banal und alltäglich, wie wir alle es kennen. Es ähnelt der Lektüre eines jährlichen Ikea-Kataloges, der die Zukunft vorauszunehmen scheint, also gleichsam visionär wäre: An diesem zentralen Tisch nehmen Platz die Kernfamilie, die neuen Patchworkbestandteile, ein Freund der Familie, ein Haustier (Huhn Abigale) und near-future-tauglich: ein Roboter. Natürlich.

Die perfekte Mixtur aus Zukunftsvision und das unbedingte Bewahren des Wesentlichen. Wir kennen also die Antwort auf eine der zentralen Fragen der Zukunft, wie wir künftig zusammen leben werden, schon längst – ohne uns dessen bewusst zu sein. Zumindest im Sozialen, steht sie neben den Passagen der Bibel auch im Ikea-Katalog. Setzt euch, esst, alle an einem Tisch, redet. 

Der nächste Serienhype aus der Branche Sci-Fi hat bereits den digitalen Haken „merken“ erhalten. Ich achte drauf, ob im Bild irgendwann ein Esstisch auftaucht. 

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