Wenn das Notfall-Auge Leben rettet

UPDATE 17. Juni 2018: Heute erhielt ich Post von den Machern von Emergency-Eye mit der Bitte um Korrektur: In der Bildunterschrift 1 schrieb ich „30 mal, dann Beatmung mit Liveanleitung“. Das sei so nicht richtig: „Für nicht geübte Ersthelfer ist die compression only CPR empfohlen, während für geübte Ersthelfer die 30:2 CPR empfohlen wird. Die Evidenz, dass  compression only CPR insgesamt das Überleben des SCA erhöht steigt zunehmend.“

Meine Bildunterschrift bezog sich auf die übliche Rettungsanleitung in den Erste-Hilfe-Kursen zur Reanimation, die man derzeit in vielen Krankenhäusern belegen kann, wie „Hand aufs Herz“. Hier heißt es immer noch: 30 mal Druckmassage am Herzen, dann 2 mal beatmen. Der Grund für das Beatmen sei der: würde man das aus der Wiederbelebungspraxis und -schulung ganz verbannen, würden diese Technik noch mehr Menschen verlernen  – daher bleibe es im Programm, obwohl es unerheblich geworden sei. – Aus dem Grund folge ich gerne dem Korrekturwunsch der Bildunterschrift, kombiniert mit diesem Hinweis, warum ich den Ursprung geschrieben habe und warum da jetzt etwas Anderes steht.  

 

Emergency-Eye: Was wäre, wenn man beim Leisten von Erster Hilfe im Notfall nicht alleine wäre – sondern ein Profi mit „eigenen Augen“ zur fachlichen Hilfe aus der Ferne anleiten könnte?  Mit der Innovation „Emergency Eye“, also ein digitales Notfall-Auge, gelingt das. Die digitale Technik hilft, schon beim Anruf die genauen Koordinaten zu übermitteln, wo genau Hilfe gebraucht wird. Und Zeit und Raum werden im Notfall überbrückt, weil fachkundige Hilfe bei der Erst-Hilfe konkrete Anleitungen gibt, in Echtzeit. Wie das geht, konnte ich mir auf der CeBIT18 in Hannover live anschauen:

Im roten Vodafone-Pavillion lag ein Dummie zur Reanimation auf einem künstlichen Rasen. Der Mensch aus Plastik am Boden ist ein regelrechtes Sinnbild für das, was folgende Statistik nüchtern in Ziffern packt: Nach aktuellen Zahlen des Deutschen Reanimationsregisters erleiden in Deutschland auf 100.000 Einwohner jedes Jahr rund 30 bis 90 Menschen außerhalb eines Krankenhauses einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Das sind mindestens 50.000 Menschen pro Jahr. Nur 10 Prozent der Betroffenen überleben.

Der Großteil der Bevölkerung hilft dem betroffenen Menschen mit Herzstillstand nicht – sondern ruft lediglich mit dem Smartphone den Rettungsdienst. Das ist schon Hilfe, rettet aber nicht, weil in dem Fall die medizinische Versorgung oft zu spät kommt. Das Hirn beginnt nach drei Minuten Sauerstoffentzug abzusterben. Und dabei könnte das Smartphone mit seinen Funktionen so viel mehr an konkreter Hilfestellung leisten.

 

Reanimation mit Live-Anleitung

 

Genau hier setzt Emergency-Eye an. Entwickelt wurde das Tool vom Start-up Corevas aus Grevenbroich in NRW. Ziel der Entwicklung ist die Verbesserung der Kommunikation zwischen Notfallhelfern und Notfall-Leitstellen. Die Nutzung aller technischen Möglichkeiten der Smartphones macht das möglich – insbesondere die Übermittlung von Video und GPS Daten, bis hin zur Übertragung von Vitalparametern der Patienten.

 

Funktionen des Smartphones nutzen

 

Konkret sieht das so aus: Gewählt wird der Notruf. Die angerufene Leitstelle erhält durch ein Fernzugriffsmodul den Zugriff auf die Funktionen des Smartphones des Anrufers und kann das nutzen und steuern – natürlich erst nach dessen Einverständnis. Es muss also keine App oder dergleichen vom Nutzer heruntergeladen werden. Die dafür notwendige Software jedoch wurde zuvor in der Leitstelle des Rettungsdienstes installiert.

Auf diesem Wege können zunächst die konkreten GPS-Daten ermittelt und übertragen werden. Ein Vorteil, wenn der Notfall an Orten stattfindet, die nicht eindeutig beschildert oder beschreibbar sind, was wohl eher die Regel ist. Eine der wichtigsten Funktion ist ferner der Zugriff  auf die Kamera des Smartphones – die kann den gesamten Hilfevorgang vor Ort festhalten und sendet die Bilder ebenfalls in die Leitstelle. Von dort wiederum kommt eine konkrete fachliche Anleitung, was zu tun ist: etwa bei einer Reanimation. Helfer und Leitstelle sind in Echtzeit miteinander verbunden, bildlich, kommunikativ und datengestützt, denn auch Vitaldaten sind übertragbar.

 

Digitale Hilfe überbrück Raum und Zeit

 

Die Testverläufe mit derartigen Hilfsmitteln zeigen, dass die Bereitschaft von Helfern steigt, wenn sie fachliche Hilfe und Anleitung beim Rettungsversuch erhälten – die Angst davor, etwas falsch zu machen, sinkt. Und damit steigt die Bereitschaft, überhaupt zu helfen.

Emergency-Eye von Corevas wird bereits in der Kreisleitstelle des Rhein-Kreises Neuss getestet und kommt ab Juli in weiteren Leitstellen zum Einsatz.

Die Innovation ist so simple wie smart – und wird hoffentlich bald in allen Kreisleitstellen der Rettungsdienste Schule machen. Insbesondere bei Neubauten und dem Einhalten der Rettungsfristen geht es mittlerweile auch um die Frage, wie digital Rettungsdienste ausgerüstet sind. Im Zentrum steht nicht nur, die Hilfsfrist von wenigen Minuten einzuhalten, sondern diese zwischenzeitlich so sinnvoll wie möglich zu nutzen. Emergency-Eye ist ein schönes Beispiel, wie sehr digitale Technik geeignet ist, Raum und Zeit derart sinnvoll zu überbrücken und dazu auch noch Daten zu verwenden.

Vielleicht ist das auch was für die Stadt Gütersloh, die gerade eine neue Feuerwache baut.

 

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