Mein Buch zum Thema „Demenz und Digitales“ ist fast fertig: Zwei Leben sehe ich ins Land der Demenz verschwinden. Stück für Stück. Immer mehr Menschen verabschieden sich im Alter in diesen Zustand der Anomalie. Gleichzeitig basteln wir an Künstlicher Intelligenz und erfinden schlaue Roboter, die in Heimen Händchen halten mit denen „ohne Geist“. Wohin führt uns dieser Weg? Und was bedeutet das für unser eigenes Altwerden in der nächsten Generation? Ich schreibe drüber: Hautnah erlebt und als Digitalenthusiastin gesellschaftlich eingeordnet.
Gleichzeitig entfacht sich eine konkrete kleine Rebellion an der Pflegefront vor Ort, denn Demenz ist auch im ländlichen Raum zu einem regelrechten Wachstumsmarkt avanciert. Die Kosten explodieren. Hier daher mein Leserbrief aus der Neue Westfälische Zeitung, der eigentlich keiner war, aber irrtümlich doch den Weg in die Rubrik „Leserbrief“ gefunden hat: (Was ich dabei erstmal außen vor gelassen habe ist: fehlende Digitalisierung, die die Kostensteigerung als Innovation der Dokumentation und Pflegeleistung vielleicht noch rechtfertigen könnten.)
„Wir als Angehörige von Bewohnern der Diakonie-Demenzwohngruppen leiden sehr unter der Erhöhung der Eigenanteile. Zum 1. Januar 2019 greift die Erhöhung: Für Pflegegrad 5 um 50 Prozent – das sind + 400 Euro im Monat. Für Pflegegrad 4 sind es plus 33 Prozent, also 335 Euro im Monat etc. Eine weitere Kostenerhöhung ist bereits avisiert. Die Diakonie ist also von einer kirchlichen Einrichtung zu einer unternehmerischen Einrichtung mutiert.
Wir haben hierzu bereits viele Gespräche mit dem Kreis GT geführt, der in unserem Fall Sozialpartner der Diakonie ist – und den Erhöhungen jeweils vertraglich zustimmen muss. Auf unsere Anfragen bei der Politik erhalten wir lediglich Schulterzucken als Antwort. Gleichermaßen steht mit Herrn Heil ein nächstes Gesetz vor der Tür, welches Tariflöhne vorsieht, nur nicht sagt, wer konkret das bezahlt. Wir treten grundsätzlich ein für faire Löhne für eine schwere und verantwortungsvolle Arbeit der Pflegekräfte. Dann aber bitte auch mit voller Transparenz: wer zahlt – und was kommt auf die Betroffenen zu, wenn ein Pflegefall in der Familie auftritt. Bisher ist die Politik – auch im Kreis GT und in der Stadt eher Augenwischerei.
In einer alternden Gesellschaft stellen sich viele Fragen: Gütersloh bezeichnet sich gerne als „gut versorgt“ mit Netzwerken und Hilfestellung für Pflege und sorgende Angehörige. Insbesondere bei Demenz. Doch in gerade diesem Lebenssegment brodelt es gewaltig. Nicht nur die Pflegemissstände sind ein Thema – so wie sich das gerade in der lokalen Zeitung darstellte. Auch die dramatisch gestiegenen Kosten der Eigenanteile sind ein fetter bleibender Brocken. Der Trend ist ungebrochen: Pflege ist das El Dorado für private Anbieter. Auch in GT.
Zumindest haben wir mit unserem bisherigen Protest wachgerüttelt. Was sollten wir dagegen tun außer zu protestieren? Wir können kaum unsere an Demenz erkrankten Angehörigen aus dem Heim nehmen und ins Auto packen und wieder mit nach Hause nehmen.Dieses angestammte „Zuhause“ gibt es auch gar nicht mehr. Nur noch auf Polaroid.
Gleichfalls wird die Care-Arbeit als unbezahlte Arbeit insbesondere auf Frauen abgewälzt. Und das ist auch ein Entscheid der Kreispolitik, die entschlossen den Weg geht „lieber ambulant statt stationär“. Da bleibt die Frage offen, wie Frauen das in Zukunft bewerkstelligen sollen, wenn etwa Vater, Mutter und Schwiegereltern ihren Geist in „ohne Geist“ transformieren. Und wie wollen sie ausreichend für sich selbst vorsorgen? Sind wir schon eine „demenzfreundliche Kommune“?
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