Deutsche Bahn – ein Erlebnisbericht mit Anmerkungen

Hier meine Er“fahrungen“ mit der Deutschen Bahn aus einer normalen Reisewoche. Gepaart mit Anmerkungen zu digitalen Hilfsmitteln und grundsätzlicher Überlegung zu Mobilität von morgen:

Die Bahn glänzt durch Verspätungen – eine Binsenweisheit, die im Laufe der eigenen Reisetätigkeit sicher schon jeden Fahrgast betroffen hat. Fünf bis fünfzehn Minuten werden verschmerzt, wobei die Deutsche Bahn auch Züge unter „pünktlich“ verbucht, die sich weniger als fünf Minuten und 59 Sekunden verspäten. Pünktlichkeit ist also Ermessenssache.

Gefühlt jedoch nehmen die Verspätungen extrem zu – gepaart durch komplette Ausfälle der Züge. Eine veröffentlichte Statistik in heise online zeigt dies grafisch. Ich selbst erlebte das in der letzten Woche an jedem meiner drei Reisetage mit langen Distanzen.

Berlin – ich komme zu spät

Bei mir summierten sich die Verspätungen auf insgesamt fünfeinhalb Stunden.

Um mich herum an den Bahnsteigen gleichzeitig: Vier Zugausfälle und zwei weitere Züge mit Verspätung in zweistelliger Minutenzahl. Die Gründe dafür sind jedesmal vielfältig, wenn sie denn überhaupt am Bahnhof durchgegeben werden: Technische Störungen, Vorausfahrender Zug hatte schon Verspätung etc.. Der geneigte Bahnfahrer rollt nur noch genervt die Augen nach hinten. Während diese widrigen Umstände innerhalb des Bahnsystems selbst zu Chaos führen, zeitig dies Chaos auch angespannte Nachfolgereaktionen bei den Reisenden. Die Anschlusszüge werden nicht erreicht, Bahnhof-Hopping ist schließlich die einzige Strategie, die hilft, ans Ziel oder nach Hause zu kommen. Ein nervenaufreibendes Unterfangen, das gleichzeitig gute Kenntnisse der Geografie Deutschlands erfordert.

Wie gut, dass es dann die APP der Deutschen Bundesbahn gibt. Ohne diese wären die Bahnnutzer aufgeschmissen. Schön, wenn es dazu an den Bahnhöfen WLAN gibt und die Dauernutzung nicht auch noch das bezahlte Datenvolumen frisst. Eine neue Form der Solidarität ist seither an den Bahnsteigen zu beobachten: Diejenigen, die die App schon auf dem Smart nutzen, helfen denjenigen, die diesen Service noch nicht kennen. Gemeinsam steht man um ein intaktes mobiles Telefon herum und gibt die Zielorte ein, mit dem heißen Wunsch, eine möglichst nahtlose nächste Verbindung angezeigt zu bekommen. Eilig werden Zeiten und Gleise auf Papier notiert – oder in Ermangelung desselben auf die Hände gemalt. Die Downloadrate der App dürfte sich nach solchen Zu-Spät-Komm-Wochen der DB deutlich erhöhen. Sie ist eine Art Lebensversicherung für Bahnreisende, die digitale Anbindung ans Weiterkommen.

Solch notgetragene Navigationen und vor allem, wenn man beim Warten auf die Anschlüsse Schneisen in den Asphalt am Bahnsteig läuft, ruft das dringende Bedürfnis hervor, mit der Deutschen Bahn zu kommunizieren. Die Reisenden wollen gehört werden, ihren Unmut kanalisieren. Typisch deutsch, dass man sich nach „Verantwortlichen“ sehnt, die Auskunft geben. Das übrigens empfehlen auch die Zugbegleiter: „Melden Sie sich „da oben“ – wir können doch auch nichts machen, sonst ändert sich nichts!“ Dass Deutschland offenbar so hierarchisch tickt, ist ein Hemmschuh für Innovation und digitale Transformation (aber das beleuchte ich an anderer Stelle.)

Die ersehnte direkte und öffentliche Kommunikation mit der DB geht am besten in Echtzeit und sehr wirksam über Twitter:

 

 

Und gut, wenn man dann auch noch einen guten Coder kennt, der digital denkt und für weitere Verbesserungen sowohl in der Kommunikation als auch für Weichenstellung auf Pünktlichkeit sorgen könnte. Auch diese Vernetzung funktioniert via Twitter:

 

 

Diese Art von kollektiver Meinungsbildung als Stresskompensation funktioniert übrigens auch sehr gut aus völlig überfüllten Bordrestaurants, in dem sich Reisende und Koffer freiwillig zusammenquetschen, um ans Ziel zu kommen – dabei ihren Humor, oder besser Sarkasmus als Ventil öffentlich ausleben können. Etwa in dieser Form, gewidmet allen mitbetroffenen Reisenden der Deutschen Bahn und süffisant die Bahn selbst aufs Korn nehmend:

 

Dass die Bahn ihr Grundproblem der Unzuverlässigkeit erkannt hat, zeigt auch diese Twittermeldung – die Bahnangestellten reagieren mittlerweile proaktiv mit ausgesuchter mitmenschlicher Zuneigung und kompensieren den Verfall der Bahnkompetenz routiniert – steckt da etwa eine Schulung dahinter:

 

 

Was zeigt sich anhand dieser Einblicke aus dem Alltag eines Vielreisenden?

Es ist gut, dass zunehmend digitale Hilfsmittel das Reisen angenehmer machen. Es ist gut, dass die Bahn offensiv über die digitalen Kanäle kommuniziert. Chapeau dafür! Und bitte auch noch den „Meckerzettel“ digital gleich in die Bahn-App mit integrieren. Den zieht nämlich der Zugbegleiter immer noch in gedruckter Form aus der Westentasche. Ausfüllen und dann „bitte mit Briefmarke freimachen“ und per Post nach Frankfurt schicken. Für Verspätungen über 60 Minuten gibt es eine Fahrpreisentschädigung in Höhe von 25 Prozent des Fahrpreises. Das macht einen Kaffe, einmal Toilettennutzung am Bahnhof und ein bisschen Kleingeld zurück. Die Nerven und die verpassten Termine kann es nicht entschädigen. Auch nicht die Lust, die Bahncard wegzuwerfen…

Da genau liegt das Problem: Lieber wäre mir und gebotener ist es, wenn die Deutsche Bahn ihr Kerngeschäft „das Befördern“ professionalisieren würde. Dazu gehören Geld und Hirn. Beides bitte verstärkt auf die Schiene setzen. (Das mit dem Hirn auf der Schiene bitte nicht falsch verstehen.)

Angesichts des Klimawandels, angesichts der Dieselskandale und der betrügerischen Machenschaften der Autokonzerne, angesichts der Knappheit von Benzin durch die Trockenheit des Sommers, angesichts der Verbote von Fahrverboten in den Städten – und der dringenden Notwendigkeit einer Mobilitätswende hin zu mehr öffentlichem Personennahverkehr muss es zum unerlässlichen Anliegen werden, dass die DB ihrer großen Verantwortung genügt und es nicht dazu kommen darf, dass Kunden zuhauf auf die Straße wechseln. Wer künftig Mobilität anders organisieren muss, wie wir, der braucht hier mehr Anstrengung. Twittern geht nämlich auch, wenn etwas gut läuft.

 

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