Schnelles Internet trotz Telekom

Dieser Post enthält:

  • Breitbandausbau – Förderung der Bundesrepublik
  • Windhundbieterei und Ausbau mit alter Technik durch Telekom
  • Kommunale Auswirkungen in der Praxis
  • Verschlafen der Digitalisierung durch die deutsche Wirtschaft

# Geld fließt 

Die Bundesregierung investiert in den schnellen Internetausbau. Bisher unterversorgte Regionen sollen im Rahmen des Bundesförderprogramms für den Breitbandausbau gefördert werden. Bis 2018 sollten alle Haushalt mit mindestens 50 MBit/s flächendeckend ausgestattet sein. 2,7 Milliarden Euro Fördergelder sollen fließen.

Das Geld könnt aber in viel zu alte Technik fließen. In die der Telekom, die ihre Verzweiger mit Vectoring überbaut. Vectoring ist keine Zukunftstechnik, sondern die Überbrückung alter Kupferkabel, die so nur ein wenig schneller gemacht werden. Mehr nicht. Diese Technik ist endlich, wir sprechen von 3 bis 5 Jahre.

Das Foto zeigt einen Werbespruch der Telekom "Erleben, was verbindet."
Große Worte – großes Erwachen?

Noch ist umstritten, ob dieser Technik-Trick wirklich förderungswürdig ist – stoppen könnte die EU allein diese Zahlung, die eine solche Förderung wettbewerbsrechtlich kritisch sieht. Solange die Bundesregierung und die Telekom aber zusammen kuscheln, sieht es nach Förderung aus.

Zukunftsfähig wäre das Glasfaserkabel. Es ist nur teuerer. Um den internationalen Anschluss nicht zu verlieren, müsste es allerdings längst flächendeckend unter der Erde wirksam sein. Im Vergleich zu den OECD-Ländern hat Deutschland hier jedoch schon verloren:

Infografik: Glasfaser in Deutschland praktisch unbekannt | Statista

Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

# Was bedeutet das für Kommunen, für Gütersloh?

Nicht alle Kommunen werden gefördert. Kommunen, die bereits über ausreichendes Internet verfügung, kommen nicht in den Genuss. Das liegt u.a. auch an der Ausbaupraxis der Telekom, die blitzschnell überall dort „ausgebaut“ hat, wo es sich wirtschaftlich sofort rentiert. In den Fachkreisen nennt man das „Windhundprinzip“. Und das bedeutet, first comes, der Rest ist draußen.

Gütersloh war einer der Orte, in dem die Telekom dieses Prinzip angewendet hat. Damit gilt Gütersloh als „gut versorgt“. So gehen Chancen auf einen nachhaltigen und zukunftstragenden Ausbau vorbei. Sowohl das Breitbandbüro des Bundes als auch das des Landes NRW bestätigten Gütersloh bereits eine gute Versorgung. Der Grund liegt auf der Hand: wer schon einen Krümel hat, fragt erstmal nicht nach dem ganzen Brot. Auch das Breitbandportal der Stadt suggeriert diese Haltung der guten Versorgung. Dies wurde bereits im Forum Breitband in der Stadthalle postuliert, eine Veranstaltung, die eilig vom Stadtbaurat im Bürgermeisterwahlkampf einberufen wurde. Allerdings wird die Versorgung nicht dadurch besser, dass diese Behauptung der guten Versorgung leichtfertig immer wieder behauptet wird. Damit ist nur ein geringer Teil der Bevölkerung ruhig gestellt.

# Die Praxis konkret

Ich bin an einem schnellen Anschluss interessiert. Allein für ein ruckelfreies Fernsehen im Internet braucht man heute mindestens 18 mbit. Auf Anfrage beim örtlichen Anbieter GTelnet und BITelnet nach einer solchen Leistung müssen die leider verneinen. Da die Telekom alleinig die Verteiler nutzen darf und den Mitstreitern noch kein Angebot auf Mitnutzung (einfach ausgedrückt) unterbreitet hat (dies weder als Produkt noch als Zeithorizont, wann das sein könnte), können die regionalen Anbieter nicht mithalten. Das sichtbare Zeichen dieses eklatant ungerechten Wettbewerbs steht mit den überbauten Kabelverzweiger im herbstlichen Laub an den Straßen der Stadt – aufdringlich wahrnehmbar mit den magentaroten „Überzügen“:

Das Foto zeigt einen Telekom-Verteilerkasten mit dem magentaroten Überzug als Werbung.
mit alter Technik in die Zukunft

Der örtliche Anbieter erklärt nun: Auch wenn er das schnelle Netz seinen Kunden gerne anbieten würde – er könnte es nicht, weil die Telekom mit ihrem Ausbau damit auch das Recht auf Erstversorgung für sich reklamiert hat. Nur ein Anbieter kann mit Breitband versorgen. So hält die Telekom die Wettbewerber jetzt am langen Arm auf Abstand. Folge: will man trotzdem (oder als Arbeitnehmer ist es ja mittlerweile überlebenswichtig) ein schnelles Netz haben, muss man den Anbieter wechseln. Wohl oder übel müsste man Kunde bei der Telekom werden. Das erinnert an die Remonopolisierung durch die Hintertür.

Die Telekom führt bereits Listen für Anmeldungen. Im November soll es nach Aussage des Unternehmens losgehen mit dem schnellen Netz. Jeder, der ab Mitte November in den Genuss eines schnellen Netzes kommen möchte, muss sich voranmelden. Weil: auch die Haustechnik, also die Infrastruktur und die Hardware beim Kunden selbst müssen angepasst werden. Weil das kaum jemand selbst machen kann, fallen gleich auch noch rund 90 Euro für den Techniker an, der buchbar ist. Nicht nur die Netznutzung kostet, sondern gleich auch das Umrüsten. Das ist eine schwere Entscheidung. Umrüsten müssten zwar auch die Kunden der regionalen Anbieter, aber das können sie erst gar nicht, weil der ja nicht mal liefern kann.

Gleiches gilt für den Wettbewerber UnityMedia. Hier ist es allerdings noch komplizierter. Liegt hier kein Kabel in der entsprechenden Straße, muss man eine Anfrage nach Versorgung stellen. Das heißt: einreichen eines Lageplans des Hauses, dann ewig lange warten, bis schließlich ein Angebot im Briefkasten (!) landet. Die Erfahrungen zeigen, das die Kosten für einen Anschluss allein schon durch die Buddelei beim Kabellegen schwindelerregend hoch sind. Auch hier kann man nicht bei einem regionalen Anbieter bleiben, man muss wechseln.

Nebenbei bemerkt: vor rund zwei Jahren wurde unsere Straße gerade neu errichtet. Das Anliegen der Anlieger auf Mitverlegung von Glasfaser wurde nicht einmal beantwortet.

# Deutsche Wirtschaft verschläft Chancen

Nun kann man der Telekom nicht mal allein die Schuld für diese schlechte Politik in die Schuhe schieben. Auch die Wirtschaft trägt Verantwortung für diese retardierte Infrastruktur. Neue Studien häufen sich und belegen, dass die deutsche Wirtschaft den Anschluss an die Digitalisierung verschläft. Insbesondere auch die KMUs verlieren den Anschluss. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein zentraler aber ist: Die Führungselite in deutschen Unternehmen ist nicht fit für die Digitalisierung. Zentrale Aussage einer aktuellen Studie zeigt: 61 Prozent der Unternehmen verfügen nicht einmal über ein Strategiepapier, um die Digitalisierung konkret anzugehen. Deutschland hält bei der „Digitalen Agenda“ die rote Laterne. Größte Stolpersteine für die Umsetzung sind zu wenig Fachkräfte, Finanzierungslücken und Mängel bei der Aus- und Weiterbildung. Diese stammen aus der Drei-Länder-Studie „Digitale Agenda 2020“ von CSC (NYSE: CSC). Dazu wurden 500 Unternehmensentscheider in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt.

Gunnar Sohn beschreibt das als „Deutschlands digitale Bräsigkeit“

Kommunikation und Zusammenarbeit müssten sich gleichermaßen agil weiterentwickeln: Vernetzungsanalysen, Digital Needs, Einführung und Umsetzung digitaler Führung und Kultur, Implementierung neuer Kollaborationsplattformen. „Auf die liebenswertesten Gichtlinge des Managements warten in diesem Jahr einige Hausaufgaben.“

Seiner Forderung danach, dass alle Akteure aus Politik, Wissenschaft, Medien, Wirtschaft und Verbänden sich mit den Prinzipien und Chancen der digitalen Welt auseinandersetzen müssten, kann ich nur zustimmen. Das empfiehlt ebenfalls eine Studie von TNS-Infratest-Online-Befragung von 517 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.

Nur 25 Prozent der Wirtschaft nutzt schnelles Internet

Und dann kommt noch dieses Ergebnis obendrauf: Netzökonom Holger Schmidt schreibt in seinem Blog: „Erst ein Viertel der Unternehmen nutzt Internetverbindungen mit Geschwindigkeiten von 50 Mbit je Sekunde und mehr.(…) Im Fahrzeugbau, der Chemie- und Pharmaindustrie, den Finanzdienstleistungen sowie den Unternehmensdienstleistungen setzt nur jedes dritte Unternehmen Internetzugänge mit mehr als 50 Mbit je Sekunde ein, hat eine Repräsentativbefragung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) unter 4500 Unternehmen in Deutschland ergeben. Von der „Gigabit-Gesellschaft“ sind also auch die Unternehmen noch weit entfernt.“

Unternehmen der künftigen Wertschöpfung aber suchen sich dann Orte mit einer sehr schnellen Infrastruktur aus, um sich anzusiedeln. Da geht es dann um mehr als 50 Mbit, die sind dann nur noch ein Witz. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss sich also jede Kommune, jeder Politiker, jeder Unternehmer fragen: Wie steht es denn bei uns mit dem schnellen Netz? Und wenn die Antwort „schlecht“ heißt, muss man handeln. 

Eine Möglichkeit neben der Telekom ist: Die Kommunen könnten eine passive Infrastruktur wie Glasfaserleitungen betreiben und die anschließend an einen Netzbetreiber verpachten. Modelle dazu gibt es bereits. Und: man kann die auch in neuen Formen der Finanzierung aufbauen, etwa durch Genossenschaftsmodelle. 

Man muss es nur langsam anpacken. Der Datenhunger steigt exponentiell. 

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