Wir legen uns selbst langsam trocken. Die Klimakrise und unser hoher Verbrauch sind schuld.
Die Corona-Pandemie hatte das bestehende Problem in den letzten Monaten überschattet. Bei den hohen Temperaturen über 33 Grad und mehr aber rückt es als eines der zentralen Probleme um so deutlicher in den Fokus: es ist zu trocken. Längst sind die Schäden bedingt durch Dürre in der Natur abzulesen. Ein Gang durch den Teutoburger Wald etwa zeigt, was Trockenheit anrichten kann:
Die dramatische Entwicklung lässt sich hervorragend mit tagesaktuellen Daten im Dürremonitor Deutschland des Helmholtz-Instituts ablesen. Besonders interessant ist dabei die Karte mit der Messung für pflanzenverfügbares Wasser bis 25 cm mit den jeweiligen Kriterien für den Welkpunkt, Trockenstress und beginnendem Trockenstress. Aktuelle Datenerhebungen machen die Visualisierung und damit einen Erkenntnisgewinn möglich.
Besonders lehrreich (ich würde mal eher sagen: schockreich) ist die animierte Tageskarte mit dem Verlauf der letzten 14 Tage, die am 8.8.2020 ihren „rötesten Wert“ als Sinnbild für besondere Trockenheit erreicht.
Als unverständliches Kontrastprogramm dazu aber sieht es in Gütersloh jedoch so aus, dass ungeachtet der Wasserknappheit offenbar eine gesteigerte Nachfrage nach privaten Schwimmpools durch die Decke geht. Der örtliche Handel und auch der online-Handel kommen der Nachfrage offenbar nicht mehr hinterher. Dies berichtet heute u.a. auch die NW-Lokalzeitung.
Nicht wenige Hausbesitzer beantragen dazu einen extra Wasserzähler, in der Hoffnung, Geld zu sparen. Sie erhalten dann den Hinweis: „Poolwasser muss im Schmutzwasserkanal entsorgt werden, daher darf die Befüllung nicht über den Gartenwasserzähler erfolgen!“
Gleichzeitig findet sich in gleicher Zeitung eine Notiz dazu, dass u.a. in einer weiteren kreisangehörigen Kommune, in Borgholzhausen, die Speicher für Trinkwasser bereits am Limit laufen, der Verbrauch ist höher als Wasser zur Verfügung gestellt werden kann. Die Stadtverwaltung habe bereits die Devise für rigoroses Wassersparen ausgerufen, das Ordnungsamt kontrolliert, das Befüllen von Pools und das Wässern von Gärten zieht ein Bußgeld nach sich. Die Knappheit muss also konkret messbar sein, sonst wäre ein Bußgeld nicht durchzusetzen.
Bedingt durch die vorherrschende Heißwetterperiode droht der Ausfall dieser städtischen Wasserversorgung, da der massiv gestiegene Frischwasserbedarf angesichts der geringen Grundwasserstände aktuell nicht mehr gedeckt werden kann. Die Reserve im Wasserspeicher ist in einen kritischen Bereich gesunken und damit ist auch die Löschreserve für die Feuerwehr in Gefahr.
Bei unverändert hohen Verbräuchen kann auch unter Ausschöpfung aller Zukaufmöglichkeiten bei Nachbarkommunen die Versorgung mit Trinkwasser nicht mehr sichergestellt werden. Um dies zu verhindern, ist es erforderlich, den Wasserverbrauch im Gebiet der Stadt Borgholzhausen vorübergehend einzuschränken.
Details entnehmen Sie bitte der untenstehenden ordnungsbehördlichen Verordnung zur Nutzung von Trinkwasser im Stadtgebiet Borgholzhausen vom 07.08.2020.“
Während hier in der Stadt also noch ungebremst geplanscht wird, erleben auch andere Kommunen bereits konkrete Wasserknappheit, wie etwa das niedersächsische Lauenau, auch in Garbsen-Neustadt und bei den Nachbarn in den Niederlanden. In Lauenau gab es für die knapp 4.000 Einwohner Trinkwasser nur noch im Supermarkt.
Der Grund für die Wasserknappheit war auch dort der besondere Anstieg der Wasserentnahme bedingt durch die hohen Temperaturen: Private Pools, Gartenbewässerung, häufiges Duschen etc. ließen die Brunnen leer laufen. Laut NDR wurde ein „Sparsamkeitsgebot“ ausgerufen: Es kommt also auf die Bürgerschaft an, wie sie mit ihren Wasservorräten künftig umgehen wird, denn Sparen ist angesagt bis zum Herbst – mit der Hoffnung, die Brunnen mögen dann wieder gefüllt werden.
Ein Wunsch nach Wassersparsamkeit hören wir nun schon im dritten Sommer in Folge: Erinnert sei an die leergelaufenen Talsperren und die Unschiffbarkeit des Rheins als Beispiele aus den Jahren 2018 und 2019. Der Handlungsbedarf ist hinlänglich beschrieben worden, jetzt fehlt es an sinnvoller Gegenstrategien – vor allem lokal und regional, denn da genau können auch Menschen selbstverantwortlich mitwirken.
Dabei darf sich jede Kommune vor Augen führen, wie viel Wasservorräte sie eigentlich auf eigenem Boden vorfindet. Für die Stadt Gütersloh etwa sähe das laut Geoportal des Kreises Gütersloh so aus: nur mäßig viele Wasserschutzgebiete Zone III (und Zone III A und B) auf eigenem Boden. Wer also einen Ansturm auf Swimmingpools für Private verzeichnet, sollte sich Gedanken machen, wie angesichts steigender Trockenheit Wasser lokal möglichst sparsam verwendet wird. Mit der neuen LoRaWAN-Technik im Sinne einer smarten und vernetzten Stadt könnten wertvolle Informationen durch Pegelständemessungen in Echtzeit ermittelt werden, die frühzeitiges Handeln ermöglichen. In Kombination mit Wetterdaten und weiteren Sensoren im Stadtgebiet ergäben sich weitreichende Möglichkeiten der Messungen und Handlungsoptionen. Gut wäre auch ein lokaler oder regionaler Aktionsplan, wie die Optimierung der Wasserversorgung nachhaltig funktioniert, wie etwa zusätzliche Speicherkapazitäten geschaffen werden können. Aber eben auch: wie mehr Grün in der Stadt erhalten oder angepflanzt werden kann und wie kommunale Wälder geschützt werden können.
Gleichzeitig wäre eine stärkere Sensibilisierung der Bevölkerung sinnvoll, dass die Entnahme von Trinkwasser für Pools und zur Bewässerung von Gärten in großem Stil auch Trinkwasser für den täglichen Trinkgebrauch entzieht. Und auch in der Landwirtschaft wird viel Wasser verbraucht. Alles, was man der Natur an einer Stelle entzieht, fehlt an der anderen.
Bräuchte es nicht ein zusammenhängendes Monitoring für die Wasserversorgung im Kreis? Zudem könnte man eine Art Handlungskatalog für die Kommunen entwickeln, was als gute Beispiele bereits gut funktioniert hat, um der Trockenheit entgegen zu wirken. Es braucht dazu (mehr) Daten, offene Daten. Es braucht dazu den Blick über den Tellerrand, wie andere Regionen mit Wasserknappheit umgehen, gern auch europaweit. Gut sind auch Transfer-Projekte, die anderswo gut funktionieren und hierher übertragbar wären. Und es braucht auch den Hinweis, dass wenn zu wenig Wasser durch die Rohre und Abwasserleitungen fließt, gleichermaßen Schäden entstehen können. (Wir kennen das aus der Demographie: Leitungen sind geplant und gebaut für eine Menge X an Mensch und Flüssigem. Ein fragiles Gleichgewicht aus Entnahme und Einleitung liegen zugrunde.)
Ich lasse mich gerne belehren – was es dazu schon an Konkretem gibt.
Und wenn dann schon Wasser fließt – dann gerne auch fürs Gemeinwohl:
Spannende öffentliche Projekte auch im Umgang mit Wasser und der Belebung von öffentlichem Raum mit Wasser und Wassererlebnissen im Sinne eines Gemeinsinns fanden sich derweil hier:
In Wien ist man wieder einmal einen Schritt weiter:
Innerhalb weniger Tage hat sich diese 7-spurige Kreuzung mitten in der @Stadt_Wien in eine grüne Oase verwandelt – inklusive Swimmingpool, Bühne, Grünflächen u.v.m. Die Gürtelfrische #West verbindet seit heute den 15. und den 7. Bezirk miteinander. #WienLiebe 😊🏖 pic.twitter.com/RlvxYlTRHV
— Birgit Hebein (@BirgitHebein) August 8, 2020
Und noch ein ganz gewagtes Umdenken:
Mit der #Klimakrise nehmen die #Hitzetage massiv zu. Asphaltwüsten führen zu Hitzeinseln. Städte brauchen mehr Kühlung. Eine wirksame Maßnahme: Bäche, die heute unter Straßen verlaufen, wieder frei legen, wie das zB Seoul schon vor Jahren gemacht hat. #Gesundheit pic.twitter.com/t5Mb66qRjp
— VCÖ (@VCOE_AT) June 12, 2019
Tjoar, gut eingefangen. Danke für den Artikel.
Ich komme aus Leipzig. Zur Orientierung: Auf der linken der obersten drei Karten ist das dort, wo der dunkelrote Bereich ist. Ich habe vor dem Fenster uralte Bäume stehen, die alle schon langsam braun werden. Die Wiesen an Vorder- und Rückseite des Mehrfamilienhauses sind auch mehr oder weniger nur noch mit der Sahel-Zone vergleichbar. Aber auch hier gibt es diese Werbeprospekte zum – kein Witz – „Homeswimming“.
Wir haben hier seit langer Zeit Wasserknappheit. Die Stadtverwaltung hält sich aber noch mit Panikmache zurück. Das machen andere zu Genüge. Wir sind im Moment heilfroh, dass unser Auewald, der immer sumpfig war, noch nicht gänzlich vertrocknet ist. Denn DAS hätte enorm fatale Folgen für die gesamte Stadt und halb Sachsen.
Vielen Dank für Ihren sehr freundlichen Kommentar – und den Post auf Twitter. Habe mich gefreut. Ich habe mal gerade auch in Ihren Blog geschaut und blättere und lese. Interessant. Ich finde ja, es sollte mal einen Blog-Kongress geben, auf dem ein Austausch von „Bloggern“ mit Grasroot-Herkunft angesagt wäre…. Viele Grüße.