Wenn´s menschelt, streikt´s technisch

Wir sind zu arbeitenden Konsumenten geworden. Immer mehr Automaten müssen wir selbst bedienen. Dabei werden den technischen Kollegen gerne übermenschliche Fähigkeiten zugeschrieben, die er auch in der Interaktion von Mensch-Maschine souverän handhabt.

Ein Faktor, den der Null-und-Eins-Freund allerdings noch nicht so drauf hat (aber alles dran gesetzt wird, dass er das bald kann) ist Empathie und Kreativität. Beides sind immer noch unerreichte Inselreich, die der Mensch für sich als paradiesischen Rückzugsort reklamiert.

Treffen nun unkalkulierbare Kreativität und Maschine zusammen, kann der kleine Algo schon mal streiken.

Mein schönstes Beispiel:

Das Foto zeigt ein Parkticket mit Lippenstift.
wenn die Hände nicht reichen

Neulich stand ich in einer langen Schlange an einem Kassenautomaten eines Parkplatzes. Ein technischer Defekt sei der Grund dafür, dass nichts vorwärts ging, wurde von einem zum andern nach hinten weitergegeben.

Als ich endlich an der Reihe war, stand der herbeigeeilte Techniker aus Fleisch und Blut immer noch als Kontrolle neben dem streikenden Automaten. Ich fragte, wo es denn hake. Er zeigte mir eine sprichwörtlich „angefressene“ Parkkarte. Die war steckengeblieben. Solch eine Parkkarte sei nicht unüblich, so der Profi weiter: Die Leute hätten oft beide Hände voll damit beschäftigt, ihre Tasche und Schlüssel zu halten, das passende Kleingeld hervorzukramen – und den Parkschein parat zu halten. Dazu reichen zwei Hände und zwei Arme aber oft nicht.

Wohin also so lange mit dem Parkschein? Zwischen die Lippen natürlich. Dort aber ist es unkalkulierbar feucht: Spucke – und Lippenstiftung – befeuchten das Papier. Für so eine menschlichste Konsistenz allerdings ist der Automat nicht geschaffen. Er streikt bei so viel Menschlichkeit. Sein Display verzweifelt: Karte nicht lesbar. Defekt. Auswerfen kann er sie aber auch nicht wieder, sie klebt. Dieses Menschliche haftet.

Wenn also humane Kreativität auf einen Algorithmus trifft, der nur zwei Hände und zwei Arme, nicht aber feuchte Lippen programmiert hat, scheint das technische Universum endlich zu sein.

Sehr bald aber werden Parkkarten verbannt sein. Spätestens dann, wenn der Automat das Fahren des Autos gänzlich übernommen hat. Dann funken nur noch vernetzte Sensoren und die Schranken des Parkplatzes gleiten nach oben… ach, nein, Parkplätze, wie wir sie jetzt noch planen, finanzieren und anlegen, gibt es dann nicht mehr. Der Mensch widmet sich in der gewonnenen Zeit der fehlerfreien Maschine-zu-Maschine-Kommunikation vermehrt Menschlichem.

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