Wer fehlt auf dem Treppchen?

In diesen Tagen gibt es sie wieder in Serie: die Fotos der Schul-Absolventen aus den unterschiedlichen Schulformen. Besonders hervorgehoben werden diejenigen mit einer besonderen Glanznote, der eins vor dem Komma. Aber es gibt auch Bildungsverlierer – die kommen nicht aufs Treppchen. Wo sind die Zahlen dazu? Das frage ich mich zeitnah auch vor der Ausgabe der Zeugnisse am kommenden Freitag!

Schüler bei Abschlussfeier

Schön, dass die meisten Jugendlichen an Gütersloher Schulen einen Abschluss geschafft haben.  Die jeweilige Schulgemeinde, die lehrenden Trainer, aber auch die Schulverwaltung freuen sich zu Recht in zahlreichen Abschlussfeiern über die Leistungsschau.

Erstaunlicher Trend: Viele weisen eine eins vor dem Komma auf. Gut so, aber es wirkt fast inflationär, wie viele auf dem Einser-Podium gelandet sind. Zählt nur noch das?

Es gibt aber auch Verlierer: Schüler ohne Hauptschulabschluss, Schüler nur mit einem Hauptschulabschluss nach Klasse 9, Schüler, die keine Lehrstelle bekommen, weil sie nur einen schwachen Hauptschulabschluss nach Klasse 10 vorweisen können, Haupt- und Förderschüler, die ihren Wunschberuf nicht erlernen können, weil die  Ausbildungsbetriebe Schüler mit mittleren und höheren Abschlüssen bevorzugen, Schüler, die jahrelang in den sogenannten „Warteschleifen“ an den Berufsschulen verbringen müssen.

Warteschleifen gibt es übrigens auch für Gymnasialschüler, die ohne eine Eins vor dem Komma in die Fänge des Numerus Clausus geraten und deshalb ein soziales Jahr, ein Praktikum, einen Job im In- oder Ausland annehmen müssen. Auf den Wartelisten landen und Wartesemester sammeln. 

Um neben den Siegeshymnen die tatsächliche Situation an Gütersloher Schulen zu beleuchten, wären auch die Schulwechsler-Zahlen, die Wiederholerquoten, Daten, die die Prognosen am Ende des 4. Schuljahrs im Verhältnis zum erreichten Abschluss aufzeigen und die Chancengerechtigkeit von Migranten und Kindern aus bildungsfernen Schichten vonnöten. Sie liegen vor, werden aber nicht genutzt. Und nicht jedes Kind, das auf ein Gymnasium geht, erreicht das Abitur, wann und wo gehen diese verloren?

Als Rektor einer Schule, als Schulverwaltungsbeamter und als Schulpolitiker sind jedoch genau diese Zahlen von großer Wichtigkeit, sie zeigen den Istzustand ungeschönt und eröffnen eine Handlungsperspektive.

Ob der Schulentwicklungsplan, der zur Zeit aufgestellt wird, solche Daten enthalten wird, ist fraglich – bleibt abzuwarten. Was nicht abzuwarten ist: die, die nicht auf dem Treppchen gelandet sind, dürfen nicht vergessen werden. Am Ende zählt nicht die eins vor dem Komma. Es zählt die Haltung. Es zählt der Mut der jungen Menschen ins Leben zu gehen und in Zeiten einen Platz zu finden, die sich langsam von der Komfortzone verabschieden. 

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